1909 – fast 60 Jahre

An Naw-Rúz, am 21. März 1909, ereignete sich in Haifa, (heute) Israel, etwas ganz besonders, nämlich die Beisetzung der sterblichen Überreste des Báb. Dies wurde auch beschrieben als die „Gewaltigste Aufgabe“ für ‘Abdu’l-Bahá.

Nach dem der Báb im Jahre 1850 in Tabriz rund 2.000 Kilometer weiter weg hingerichtet wurde, borgen die treuen Anhänger die Überreste und hielten sie Jahrzehnte Versteckt vor den Obrigkeiten des Staates, bis sie schließlich in die Obhut der Heiligen Familie in die Gefängnisstadt Akka übertragen wurde, wo sie wiederum über Jahre versteckt blieben.

Nach dem Hinscheiden Seines Vaters, Bahá’u’lláh, war diese große Aufgabe „dafür Sorge zutragen, dass diese heiligen Überreste ihre angemessene Ruhe finde soll“, folglich auf Seinen Schultern, da Er von Seinem Vater als das Zentrum des Bundes ernannt wurde, und somit alle Angelegenheit praktischer und geistiger Natur nun zu regeln hatte. Alle wendeten sich nun Ihm zu.

Dieser Aufgabe gewahr, begegnete Ihm viel Tumult rund um Nachfolge, Erbschaft, Streit, Schutz und Trauer – gleichzeitig begannen auch zahlreiche Gemeinden zu wachsen und waren auf seine Führung angewiesen, so wie die Deutsche Gemeinde, die auch in diesen Jahren des anfangenden 20. Jahrhunderts ihre Wurzeln schlug.

Trotz aller Widrigkeiten gelang es ‘Abdu’l-Bahá über Jahre beständig sämtliche Vorkehrungen zu treffen, Land, Grund und Boden zu kaufen, Pläne und Errichtung für das Mausoleum zu fertigen, den Grundstein hiermit zu legen, für die Krone am Berg Karmel, dem Berge Gottes und schließlich diesen Tag zu Naw-Rúz im Jahre 1909 zu wählen.

Um dies etwas zu beleuchten, hier ein paar Einblicke:

 

Es gibt eine große und herrliche Wahrheit, die der Ernennung des Vernal Equinox vom 21. März zur Zeit des neuen Jahres zugrunde liegt. Der frühere Neujahrstag, der 1. Januar, der von den Römern dem zweigesichtigen Kriegergott Janus gewidmet und von den alten Juden und modernen Christen gefeiert wurde, fand mitten im Winter in der Zeit der Kälte und des Todes statt. Der Bahai New York steht ganz am Anfang des Frühlings und symbolisiert die Frühlingszeit der Seele. Es steht für die physische und spirituelle Neuheit des Lebens, und so haben wir alle schönen Ideale von Ostern und Neujahr in einem großen Ganzen miteinander verbunden. Es ist die Zeit neuer Anfänge, neuer Hoffnungen und neuer Bestrebungen. Es ist Zeit, in der das Herz des Menschen jubelt: „O danke dem Herrn, denn er ist gut. Sing ihm ein neues Lied“, denn er lässt die Wüste „wie die Rose blühen“ und das Tal er bedeckt mit Grün; Aus der Nacht bringt er den Tag und aus dem Tod das ewige Leben.

An diesem frohen neuen Jahr scheint ein neues Licht auf die Berge, denn das Leben und die Auferstehung werden für immer verkündet. Die Balken des Winters werden auseinandergebrochen und die eisernen Bänder des Todes werden gespalten. Die Lilien heben ihre heiligen weißen Grale, gefüllt mit dem Sonnenschein der Liebe Gottes, denn hat er seine Liebe nicht in jeder Blume und im Aufstand aller grünen Dinge offenbart?*

Welcome, Oh Spring, with royal cheer

We celebrate the glad New Year.

May it be filled with new delight,

With greater knowledge, faith more bright,

New health and strength, a firmer will,

All other hearts with joy to fill,

Forgetting self, from day to day

To follow in the „Perfect Way“;

New sympathy with others‘ creeds.

New tenderness for others‘ needs,

New prayers for all who live on earth,

New aspirations, and new birth;

New laws for men—that strife shall cease,

For He hath come who bringeth peace,

That all shall serve in bonds of love,

All worshipping One God above.

New songs of beauty and of praise

To Him who in this day of days,

Hath brought again the Incarnate Word,

Through which a New Creation stirred;

New fires within our breasts aflame,

New zeal the tidings to proclaim,

Tidings of joy, of wondrous worth,

God’s Glorious Kingdom come to earth;

New efforts to go forth and bring

The weary ones unto our King,

That He, the Lamb, upon His throne,

In love may claim them for His own.

He calleth to the world: Behold!

All things are new! Passed is the old:

Passed is the winter’s icy death;

Life’s Spring is here with fragrant breath.

With leaves and buds, new upturned sod,

New understanding of our God,

New Love which casteth out all fear,

New Peace, new Joy, a glad New Year *

 

 

 

 

Eines der größten Privilegien, das wir während unseres Besuchs hatten, war es, anwesend zu sein, als die Überreste des Báb an ihre letzte Ruhestätte auf dem Berg gebracht wurde. Carmel. Es ist mir ein Rätsel, die Schönheit und Feierlichkeit dieser Szene darzustellen. Unser Herr war unbeschreiblich großartig. Wir haben ihn zum ersten Mal ohne seinen Fez gesehen. (Kopfbedeckung), Sein schönes weißes Haar fällt in malerischer Unordnung auf Seine Schultern. Er hatte sein dunkles Obergewand abgeworfen und war in ein fließendes Kleidungsstück in neutralem Blau gekleidet. Als der riesige Sarkophag endlich in Position gebracht wurde, machte unser Herr mit den Männern, die sich um ihn versammelten, ein Bild, das niemals vergessen werden sollte. Einer der Gläubigen hielt eine Lampe hoch, deren Licht wie ein Strahlen auf die Gestalt des geliebten Meisters fiel, als er im Sarkophag stand, und mit Tränen, die über sein gesegnetes Gesicht liefen, mit seinen eigenen Händen die heilige Asche aus dem Sarg veränderte hatte sie viele, viele Jahre an dem prächtigen Sarkophag aus weißem Marmor festgehalten, der ein liebevolles Geschenk der Gläubigen Indiens ist. Als die Marmordecke platziert wurde, warf sich unser Herr auf den Sarkophag und weinte laut.

Die Gläubigen, die bei ihm waren, sowie die Damen, die um den Eingang zum Grab standen oder knieten, weinten mit ihm und auch für ihn, der neben dem Grab desjenigen, der seinen herrlichen Advent verkündet hatte, eine so erbärmliche Gestalt machte . Solch ein Tumult von Gedanken und Emotionen ging uns durch den Kopf, denn es schien, als ob alle wundersamen Ereignisse der Ursache von ihrer frühesten Morgendämmerung an vor unserer Vision vergangen wären und unsere Seelen mit Ehrfurcht und Staunen über die mächtigen Werke Gottes überflutet hätten. Als unser lieber Herr endlich aus dem Grab ging, hatte er einen Ausdruck auf seinem Gesicht, der unbeschreiblich ist. Die Kraft des Geistes war so intensiv, dass wir wie versteinert standen, bis er in einen anderen Teil des Gebäudes eingetreten war, in dem ein Raum für ihn vorbereitet war. In der Zwischenzeit kamen die Gläubigen heraus, die mit dem Meister gearbeitet hatten, und standen in Gruppen und sprachen in gedämpften Tönen miteinander, während sie darauf warteten, ‚Abdu’l-Bahá zurück nach Haifa zu begleiten. So ein wundervolles Bild machten sie, besonders die weißhaarigen, heilig aussehenden Gläubigen in ihren orientalischen Kostümen. Ein Gläubiger hatte das Geschäft aufgegeben und kam und lagerte einige Wochen mit seiner Familie in der Nähe des Grabes. Während dieser Zeit hatte er mit Pickel und Schaufel gearbeitet, um ein Loch in das Fundament des Grabes zu graben, durch das der Sarkophag geführt worden war. Sie konnten keine Facharbeiter einstellen, weil sie befürchteten, die Aufmerksamkeit der Nakazeen auf sich zu ziehen.

Bevor wir an diesem Nachmittag abreisten, hatten Mutter und ich das Privileg, mit unserem Herrn eine Tasse Tee zu trinken, aber da er immer noch sehr müde war, entschuldigten wir uns bald und stiegen mit vollem Herzen den Berg hinunter.**

 

 

 

 

 

 

Am 28. Safar 1327 n.d.H.¹, dem Tag des ersten Naw-Rúz-Festes, das Er nach Seiner Freilassung feierte, ließ Abdu’l-Bahá den Marmorsarkophag unter großer Mühe an die vorbereitete Gruft verbringen. Am Abend legte Er im Beisein von Gläubigen aus Ost und West beim Schein einer einzigen Lampe auf feierliche, bewegende Weise mit eigenen Händen den hölzernen Sarg mit den heiligen Überresten des Báb und Seines Gefährten in diesen Sarkophag.

¹ 1909

Als dies geschehen und die irdischen Überreste des Märtyrerpropheten aus Shíráz endlich im Schoß des heiligen Berges Gottes zur ewigen Ruhe gebettet waren, legte Abdu’l-Bahá Turban, Schuhe und Mantel ab und neigte sich tief über den noch offenen Sarkophag, legte die Stirn auf den Rand des hölzernen Sarges und schluchzte laut auf. Sein silbernes Haar wehte Ihm um das Haupt, und Sein leuchtendes Antlitz war völlig verwandelt. Er weinte so bitterlich, dass alle Anwesenden mit Ihm weinten. In jener Nacht war er so aufgewühlt, dass Er nicht schlief.

»Die froheste Kunde«, schrieb Er später in einem Brief, mit dem Er Seinen Anhängern diesen ruhmreichen Sieg bekanntgab, »ist, dass der heilige, strahlende Leib des Báb, … sechzig Jahre lang vor drohenden Feinden und aus Furcht vor Übelwollenden, ohne Rast und Ruhe von Ort zu Ort verbracht, nunmehr feierlich durch die Gnade der Schönheit Abhá am Naw-Rúz-Tag im heiligen Sarg, im erhabenen Schrein am Berg Karmel beigesetzt ist… Ein seltsamer Zufall fügte es, dass am selben Naw-Rúz-Tag ein Telegramm aus Chicago eintraf mit der Nachricht, dass die Gläubigen aller amerikanischen Zentren Abgeordnete gewählt und nach Chicago entsandt und über die Lage und den Bau des Mashriqu’l-Adhkár endgültig entschieden hätten.«

Mit der Überführung der Gebeine des Báb, dessen Kommen die Wiederkehr des Propheten Elias bedeutet, zum Karmel und ihrer Beisetzung auf dem heiligen Berg, unweit der Gruft jenes Propheten, war der von Bahá’u’lláh an Seinem Lebensabend so herrlich vorausgeschaute Plan nun ausgeführt, waren die heißen Mühen des ernannten Mittelpunkts des Bundes während der ersten Jahre Seines Amtes von unsterblichem Erfolg gekrönt. Ein Brennpunkt göttlicher Erleuchtung und Kraft – der Staub, von dem Abdu’l-Bahá sagt, dass er Ihn inspirierte, und dessen Schrein an Heiligkeit in der gesamten Bahá’í-Welt nur vom Grabmal des Stifters der Bahá’í-Offenbarung übertroffen wird – war nun für immer auf diesem Berg geschaffen, der schon seit undenkliche Zeit als heilig galt. Mit dem Mausoleum des Báb, einem Bau, massiv, einfach und eindrucksvoll zugleich, ans Herz des Karmel, des »Weinbergs Gottes«, geschmiegt, im Westen flankiert von Elias Höhle, im Osten von Galiläas Bergen, im Rücken die Ebene von Saron, im Blick die silberne Stadt Akká und dahinter das Heiligste Grab – Herz und Qiblih der Bahá’í-Welt -, überschattend die Kolonie der deutschen Templer, die in Erwartung der »Ankunft des Herrn« ihre Heimat verlassen und sich im Jahr der Erklärung Bahá’u’lláhs in Baghdád¹ am Fuß dieses Berges angesiedelt hatten, war nun unter heldenhafter Anstrengung und mit unbezwinglicher Kraft »der Ort« geschaffen, »den die himmlischen Heerscharen anbetend umkreisen«. Schon zeigen die Ereignisse – die Erweiterung des Gebäudes selbst, die Verschönerung seiner Umgebung, der Erwerb großer Grundstücke in der Nachbarschaft, die in der Nähe angelegten Ruhestätten der Frau, des Sohnes und der Tochter Bahá’u’lláhs -, dass dieser Ort im Lauf der Jahre die Berühmtheit und den Glanz zu erlangen bestimmt ist, wie sie dem hohen Zweck seiner Anlage entsprechen. Und er wird, wenn im Lauf der Jahre allmählich die Einrichtungen um das Verwaltungszentrum der zukünftigen Bahá’í-Weltgemeinde entstehen, unaufhörlich alle ihm von der unwandelbaren Vorsehung vermachten, noch verborgenen Fähigkeiten an den Tag legen. Unwiderstehlich wird diese göttliche Institution blühen und wachsen, ungeachtet aller Feindseligkeit zukünftiger Feinde, bis das volle Maß ihres Glanzes der ganzen Menschheit offen vor Augen steht.

»Eile, o Karmel«, spricht Bahá’u’lláh eindrucksvoll den heiligen Berg an, »denn siehe, das Licht des Angesichts Gottes … ist auf dich gerichtet… Frohlocke, denn Gott hat an diesem Tage Seinen Thron auf dir errichtet, hat dich zum Aufgangsort Seiner Zeichen und zum Tagesanbruch der Beweise Seiner Offenbarung gemacht. Wohl dem, der dich umschreitet, der die Offenbarung deiner Herrlichkeit verkündet und berichtet, was die Großmut des Herrn, deines Gottes, über dich ergossen hat.« »Rufe aus gen Zion, o Karmel«, schreibt Er im selben Sendbrief, »und künde die frohe Botschaft: Er, der den sterblichen Augen verborgen war, ist gekommen! Seine allbezwingende Herrschaft ist offenbar, Seine allumfassende Herrlichkeit ist enthüllt worden. Hüte dich, dass du nicht zögerst oder schwankst. Eile und umschreite die Stadt Gottes, die vom Himmel herabgekommen ist, die himmlische Kaaba, in Anbetung umkreist von den Begünstigten Gottes, den Reinen im Herzen und der Schar der erhabensten Engel.«***

 

 

 

 

*Übersetzt aus Loise R. Waite. The Bahai Bulletin, Volume 1 – Issue 5

**Übersetzt aus May Woodcock and A.M. Bryant, Letter to Mrs A.M. Bryant re interment of the remains of The Báb on Mt. Carmel

***Von Shoghi Effendi, Gott geht vorüber, 18:9-13

Bilder: Bahá’í Media Bank

Video: YouTube – The Shrine of the Bab – Aerial Footage

 

 

Über die genauen Details in Akka, dies selber genauer nachzulesen in „Memories of Nine Years in Akka“ (Erinnerungen an neun Jahre in ‚Akká), als ein wertvolles Historisches Dokument mit Beschreibungen von Yúnis Afrukhtih der ‘Abdu’l-Bahá von 1900-1909 als sein treuer Sekretär und Übersetzer diente.

 

von Mazloum Media, Druck & Verlag, 2020

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